Rechtliches
Rechtslage
(vielen Dank an Sarah Schweizer):
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Rechtliches
Tiere genießen nach dem Gesetz einen besonderen Schutz:
- In Art. 20a des Grundgesetzes der Bundesrepublik
ist der Tierschutz als Staatsziel verankert. Es handelt sich um eine
Verfassungsnorm mit rechtlicher Bindung, wonach der Staat zum Schutz der
Tiere verpflichtet ist. Verfügbare Schutzmaßnahmen sind anzuwenden und
durchzuführen.
- Gemäß § 1 Tierschutzgesetz (TierSchG) darf niemand
einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden
zufügen. Gemäß § 17 TierSchG wird mit Freiheitsstrafe
von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer ein Wirbeltier
ohne vernünftigen Grund tötet oder einem Wirbeltier aus Rohheit
erhebliche Schmerzen, Leiden, länger anhaltende bzw. sich wiederholende
erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.
- Pflichten im Zusammenhang mit Tier- und Naturschutz ergeben sich
außerdem aus § 1 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) sowie
aus den entsprechenden Landesjagdgesetzen (bspw. Jagd- und
Wildtiermanagementgesetz (JWMG) Baden-Württemberg). Nach § 39
Abs. 1 BNatSchG ist es verboten, wild lebende Tiere mutwillig
zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzten
oder zu töten.
Daraus ergeben sich verschiedene gesetzliche Verpflichtungen zur Rettung
von Rehkitzen vor und während der Mahd. Für den Jäger
ergibt sich aus dessen Hegeverpflichtung gemäß § 1 BJagdG (§ 3 Abs. 1 in
Verbindung mit § 5 Abs. 4 JWMG BW) eine Mitwirkungspflicht an
geeigneten Maßnahmen zur Rettung der Rehkitze. Die überwiegende
Pflicht des Rehkitzschutzes treffen den Landwirt bzw. den
tatsächlichen Maschinenführer. Der Landwirt ist für die
Betriebsgefahr seiner landwirtschaftlichen Maschinen verantwortlich
und muss dafür Sorge tragen, dass keine Personen- oder Sachschäden
entstehen. Den Landwirt trifft ebenso wie den Jäger eine Hegeverpflichtung,
da die Hege eines gesunden und artenreichen Wildbestandes eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.
- Ein Landwirt macht sich also strafbar, wenn er ohne
geeignete, eigene Schutzmaßnahmen den Mähtod von Rehkitzen
billigend in Kauf nimmt (§ 17 Nr. 1 TierSchG).
- Aus der gesetzliche Hegeverpflichtung ergibt sich außerdem die
Gefahr der Strafbarkeit, sofern keine Abstimmung mit dem Jäger bezüglich
der Bekanntgabe des Mähtermins erfolgt. Den Landwirt trifft
gegebenenfalls zusätzlich eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Jäger
aufgrund dessen Jagd- und Jagdausübungsrechts (§ 1 BJagdG, 3 JWMG BW).
Überblick über bisherige Rechtsprechung
Nach § 17 TierSchG ist strafbar, wer ein Tier vorsätzlich quält oder
tötet oder diese Folge billigend in Kauf genommen hat:
- Dem Urteil des Amtsgerichts Hadmar lag ein Fall zugrunde, in dem
zwei Landwirte während der Mahd mehrere Rehkitze töteten. Entscheidend
war, dass sie entgegen des Beschlusses der Jagdgenossenschaft die Mahd
ihrer Wiesen weder spätestens 24 Stunden vorher gegenüber dem
Jagdpächter anzeigten, noch selbst geeignete Schutzmaßnahmen vornahmen.
Das Gericht stellte eine Strafbarkeit gemäß § 17 TierSchG fest, weil sie
in diesem Verhalten eine billigende Inkaufnahme des Todes der Rehkitze
sah und verhing Geldstrafen in Höhe von 3.200 € und 2.400 €. (Urteil
Amtsgericht Hadmar vom 29.09.2004, Az 1 Ds – 3 Js 12550/03)
- Das Amtsgericht Wolfach verurteilte einen Landwirt, der während der
Mahd zwei Rehkitze tödlich verletzte, obwohl er zuvor bereits von
Anwohnerinnen auf diese Kitze aufmerksam gemacht wurde, zu einer
Geldstrafe in Höhe von 4.000 € und einer Freiheitsstrafe auf Bewährung.
Entscheidend war hier, dass der Landwirt nach schwerer Verletzung des
ersten Kitzes, das zweite tot mähte (Urteil Amtsgericht Wolfach Az: 1 Cs
301 Js 9380/13). Das Gericht ging von einer vorsätzlichen Handlung aus,
wobei sowohl „Gewinnstreben um jeden Preis“ als auch eine „rohe innere
Haltung“ des Landwirts festgestellt wurden. In der Berufungsinstanz
milderte das Landgericht Offenburg das Urteil ab und setzte wegen
zweifachen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz eine Geldstrafe von
insgesamt 2250 € fest. Berief sich der nicht vorbestrafte Landwirt in
der ersten Instanz noch auf die Schuld des Jägers, gestand er seine Tat
nun ein, zeigte Reue, erklärte, dass ihm als Bio-Bauer viel am Wohl der
Tiere liege und am Tag des Geschehens ein hektischer Betriebsablauf
herrschte. Die Tötung wurde jedoch billigend in Kauf genommen. Ein
Vorsatz des willentlichen Tötens der Tiere konnte das Gericht nicht
feststellen. (Urteil LG Offenburg vom 02.07.2014, AZ 6 AK 9/14)
- Vor dem Landgericht Offenburg kam es in zweiter Instanz zu einem
Freispruch eines Landwirts im Fall der Tötung zweier Rehkitze. Für das
Gericht war vorsätzliches Handeln nicht erkennbar. Ausgegangen wurde von
einem straflosen, unglücklichen Verlauf mit gewisser Fahrlässigkeit.
(Urteil LG Offenburg vom 06.12.2014)
Nicht nur Landwirte, sondern auch von diesem beauftragte Lohnunternehmer
oder Gehilfen können für die Tötung von Rehkitzen zur Verantwortung gezogen
werden:
- Vor dem AG Weilheim wurden ein Landwirt und ein beauftragter
Angestellter eines Lohnunternehmers mangels Kooperation mit dem
zuständigen Jagdpächter wegen eines Verstoßes gegen § 17 TierSchG
verurteilt. Die Mahd wurde ohne vorherige Anzeige oder Vornahme eigener
Schutzmaßnahmen und trotz wiederholter Warnungen sowohl vor als auch
während der Mahd ausgeführt und eine Rettung der Kitze dadurch
verhindert. Der Landwirt hatte Kenntnis über das mögliche Verweilen von
Rehkitzen in der Wiese und gab trotz wiederholter Warnung die Anweisung,
die Mahd fortzuführen, sodass von einer Anstiftung des tatsächlichen
Maschinenführers und einem tateinheitlichen Verstoß gegen § 17 TierSchG
ausgegangen wurde. Beide nahmen den Tod der Kitze billigend in Kauf. Der
Landwirt wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.800 €, der
Maschinenführer zu 2.000 € verurteilt. (Urteil Amtsgericht Weilheim i.
OB.v vom 11.09.2009 Az 2 Cs 12 Js 17946 / 09).
Bisherige Urteile bestätigen außerdem, dass ein Landwirt Schadensersatz
gegenüber dem Jäger leisten muss, wenn nicht alle zumutbaren Maßnahmen
getroffen wurden, um den Verlust der Rehkitze zu verhindern.
- Vor dem Landgericht Trier machte ein Jäger sein Recht auf
Schadensersatz wegen Verletzung des ihm durch den Jagdpachtvertrag
übertragenen Jagdausübungs- und Aneignungsrecht geltend, nachdem der
Beklagte Landwirt beim Mähen zwei Rehkitze tötete, ohne
Vorsichtsmaßnahmen zu ermöglichen. Das Gericht stellte außerdem fest,
dass es dem Jäger regelmäßig auf die Erhaltung des Lebens der Rehkitze
ankommt. Als Schadenshöhe zu ersetzen galt es mithin den Zuchtwert von
680 € pro Rehkitz. (Urteil Landgericht Trier Az 1 S 183/04; Amtsgerichts
Bitburg, Zeichen 5 C 327/04).
Stand 14.05.2020