Leitfaden zur Kitzrettung

19 18 Rechtslage: Tierschutz Tiere genießen nach dem Gesetz einen besonderen Schutz: ► In Art. 20a des Grundgesetzes der Bundesrepublik ist der Tierschutz als Staatsziel verankert. Es handelt sich um eine Verfassungsnorm mit recht- licher Bindung, wonach der Staat zum Schutz der Tiere verpflichtet ist. Verfügbare Schutzmaßnahmen sind anzuwenden und durchzuführen. ► Gemäß § 1 Tierschutzgesetz (TierSchG) darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Gemäß § 17 TierSchG wird mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe be- straft, wer ein Wirbeltier ohne ver- nünftigen Grund tötet oder einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen, Leiden, länger anhal- tende bzw. sich wiederholende er- hebliche Schmerzen oder Leiden zufügt. ► Pflichten im Zusammenhang mit Tier- und Naturschutz ergeben sich außerdem aus § 1 des Bundes- jagdgesetzes (BJagdG) sowie aus den entsprechenden Landesjagd- gesetzen (bspw. Jagd- und Wildtier- managementgesetz (JWMG) Ba- den-Württemberg). Nach § 39 Abs. 1 BNatSchG ist es verboten, wild lebende Tiere mutwillig zu beunru- higen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzten oder zu tö- ten. Daraus ergeben sich verschiede- ne gesetzliche Verpflichtungen zur Rettung von Rehkitzen vor und während der Mahd. Für den Jä- ger ergibt sich aus dessen Hegever- pflichtung gemäß § 1 BjagdG (§ 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 4 JWMG BW) eine Mitwirkungspflicht an geeigneten Maßnahmen zur Rettung der Rehkitze. Die überwie- gende Pflicht des Rehkitzschutzes treffen den Landwirt bzw. den tat- sächlichen Maschinenführer. Der Landwirt ist für die Betriebsgefahr seiner landwirtschaftlichen Maschi- nen verantwortlich und muss dafür Sorge tragen, dass keine Perso- nen- oder Sachschäden entstehen. Den Landwirt trifft ebenso wie den Jäger eine Hegeverpflichtung, da die Hege eines gesunden und ar- tenreichen Wildbestandes eine ge- samtgesellschaftliche Aufgabe ist. ► Ein Landwirt macht sich also straf- bar, wenn er ohne geeignete, eigene Schutzmaßnahmen den Mähtod von Rehkitzen billigend in Kauf nimmt (§ 17 Nr. 1 TierSchG). ► Aus der gesetzlichen Hegever- pflichtung ergibt sich außerdem die Gefahr der Strafbarkeit, sofern keine Abstimmung mit dem Jäger bezüglich der Bekanntgabe des Mähtermins erfolgt. Den Landwirt trifft gegebenenfalls zusätzlich eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Jäger aufgrund dessen Jagd- ausübungs- und aneigungsrecht (§ 1 BJagdG, 3 JWMG BW). Überblick über bisherige Rechtsprechung Nach § 17 TierSchG ist strafbar, wer ein Tier vorsätzlich quält oder tötet oder die- se Folge billigend in Kauf genommen hat: ► Einem Urteil des Amtsgerichts Ha- damar lag ein Fall zugrunde, in dem zwei Landwirte während der Mahd mehrere Rehkitze töteten. Entschei- dend war, dass sie entgegen des Be- schlusses der Jagdgenossenschaft die Mahd ihrer Wiesen weder spä- testens 24 Stunden vorher gegen- über dem Jagdpächter anzeigten, noch selbst geeignete Schutzmaß- nahmen vornahmen. Das Gericht stellte eine Strafbarkeit gemäß § 17 TierSchG fest, weil sie in diesem Verhalten eine billigende Inkauf- nahme des Todes der Rehkitze sah und verhing Geldstrafen in Höhe von 3.200 € und 2.400 €. (Urteil Amtsge- richt Hadmar vom 29.09.2004, Az 1 Ds – 3 Js 12550/03) ► Das Amtsgericht Wolfach verurteil- te einen Landwirt, der während der Mahd zwei Rehkitze tödlich ver- letzte, obwohl er zuvor bereits von Anwohnerinnen auf diese Kitze auf- merksam gemacht wurde, zu einer Geldstrafe in Höhe von 4.000 € und einer Freiheitsstrafe auf Be- währung. Entscheidend war hier, dass der Landwirt nach schwerer Verletzung des ersten Kitzes, das zweite tot mähte (Urteil Amtsgericht Wolfach Az: 1 Cs 301 Js 9380/13). Das Gericht ging von einer vorsätz- lichen Handlung aus, wobei sowohl „Gewinnstreben um jeden Preis“ als auch eine „rohe innere Haltung“ des Landwirts festgestellt wurden. In der Berufungsinstanz milderte das Landgericht Offenburg das Urteil ab und setzte wegen zweifachen Verstoßes gegen das Tierschutzge- setz eine Geldstrafe von insgesamt 2.250 € fest. Berief sich der nicht vorbestrafte Landwirt in der ersten Instanz noch auf die Schuld des Jä- gers, gestand er seine Tat nun ein, zeigte Reue, erklärte, dass ihm als Bio-Bauer viel am Wohl der Tiere lie- ge und am Tag des Geschehens ein hektischer Betriebsablauf herrschte. Die Tötung wurde jedoch billigend in Kauf genommen. Ein Vorsatz des willentlichen Tötens der Tiere konnte das Gericht nicht feststellen. (Urteil LG Offenburg vom 02.07.2014, AZ 6 AK 9/14) ► Vor dem Landgericht Offenburg kam es in zweiter Instanz zu einem Frei- spruch eines Landwirts im Fall der Tötung zweier Rehkitze. Für das Ge- richt war vorsätzliches Handeln nicht

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